Lesekonzept

Lesekonzept

Auszug aus dem Schulprogramm der Erich Kästner-Schule:

6.4.3    Lesekonzept
6.4.3.1 Leitgedanken           

„Kinder schaffen Wunder, wenn sie lesen.“ Astrid Lindgren

  • Lesen ist eine Kulturtechnik, die von großer Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist und es ermöglicht den Zugang zu allen Bereichen des Lebens. Lesen schafft die Voraussetzung für den Umgang mit den neuen Medien.
  • Lesen ist die Basis für den Zugang zu allen Schulfächern und Schlüsselqualifikation für die spätere Berufsausbildung.
  • Lesen bereitet Freude und schafft Raum für Phantasie.
  • Die Entwicklung von Lesekompetenz fällt nicht nur in den Fachbereich Deutsch, sondern stellt eine fächerübergreifende Aufgabenstellung dar.

6.4.3.2 Lesekompetenzstufen

Nach der IGLU-Studie unterscheidet man verschiedene Verstehensebenen beim Lesen:

VerstehensebeneErläuterung
1Informationen ermittelnBetrifft die Wiedergabe einzelner Informationen, die dem Text direkt zu entnehmen sind. Das sind z.B. Zahlen, Namen, und Geschehnisse, die im Text genannt werden.
2weitgehende Informationen ermittelnBetrifft die Wiedergabe weitgehender Informationen, die dem Text indirekt zu entnehmen sind. Sinnzusammenhänge werden erfasst.
3textbezogen interpretierenBetrifft die Interpretation und Schlussfolgerungen sowie deren Begründungen aus dem Text heraus. Es wird eine eigene Meinung gebildet und begründet, ein tieferer Sinn entnommen und wiedergegeben. Das Gelesene wird mit eigenen Gedanken verknüpft.
4textbezogen reflektieren und bewertenBetrifft die Prüfung und Bewertung von Inhalt und Sprache. Es wird eigenes Wissen in die Reflexion eingebracht und verknüpft. Gestaltungsmerkmale werden erkannt. Mit einer Distanz zum Text wird er auf der Metaebene behandelt.

6.4.3.3 Spezifische Probleme unserer Schüler beim Lesenlernen

Schriftspracherwerb (insbesondere auch der Erwerb von Lesekompetenz) findet bei Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sprache unter erheblich erschwerten Bedingungen statt. Folgende Hauptprobleme können den Leselernprozess bei sprachbehinderten Schülern beeinträchtigen:

  • Störungen der Aussprache
  • Störungen der Grammatik
  • Störungen auf der lexikalisch-semantischen Ebene
  • Störungen der auditiven Wahrnehmung
  • Störungen der Gedächtnisleistung
  • Störungen der visuellen Wahrnehmung

Unser Leitziel ist es, die Schüler trotz dieser sprachlichen Einschränkungen zu einer angemessenen Lesekompetenz zu führen. Es bedarf daher einer Konzeption, die den besonderen Bedingungen und Bedürfnissen unserer Schüler gerecht wird.

6.4.3.4 Leseunterricht in der EKS

Erstlesen

  • Intensives Training der phonologischen Bewusstheit, durch tägliche Hörübungen (Reimen, Silbenklatschen, Robotersprache, Übungen zur Lautdiskrimination und dem Heraushören der Lautpositionen).
  • Einsatz phonomimischer Zeichen.
  • Individuelles Artikulationstraining in der Einzel- oder Gruppentherapie.
  • Vielfältiges Wortschatztraining, insbesondere zur Hörkiste (Sommer-Stumpenhorst).
  • Berücksichtigung der Prinzipien und Methoden des Konzeptes von Sommer- Stumpenhorst und Ermöglichung eines systematischen, so weit wie möglich (zunehmend) selbstgesteuerten Leselernprozesses.
  • Wöchentliche Einzelbetreuung bei der Arbeit am Hör-, Schreib- und Seh-Pass durch die Gesamtschüler des LK Pädagogik.
  • Zusätzliche Einführung und Festigung der Einzelbuchstaben.
  • Aufgrund der vielfältigen Störungen in den o.g. Bereichen setzen wir zusätzlich ein differenziertes Lesematerial ein: z.B. Tobi –Fibel und dazugehörige Arbeitsmaterialien, Materialhefte von Einsterns Schwester, Hexe Susi, unterstützende PC Programme (Laut-Buchstaben-Sortiermaschine, Lernwerkstatt, u.a.).
  • Förderung der Lesemotivation durch regelmäßiges Vorlesen und Besprechen von Büchern.

Weiterführendes Lesen

  • Weiterführung der Arbeit mit dem Sommer- Stumpenhorst Material
  • Arbeit mit dem Bausteine Lesebuch (und dazugehörigen Materialien)
  • Lese-Malhefte
  • Einsterns Schwester
  • Individuelle Leseförderhefte (zum Beispiel: Das Geheimnis, Palmen können fliegen,Die Kinder aus der Burgstraße)
  • Klassenlektüren mit Lesewerkstatt
  • Lesen mit der Flohkiste
  • Antolin (PC-Lese-Quiz zu Büchern)
  • Computerprogramm Lernwerkstatt
  • Zeit zum selbstbestimmten Lesen in der Schülerbücherei oder Leseecke
  • Sprachtherapeutische Förderung, bspw. Wortschatzerweiterung, Satz- und Textverständnis
  • Handlungs- und produktionsorientierter Leseunterricht

6.4.3.5 Lesestrategien

Die Kinder lernen verschiedene Lesestrategien kennen und wenden sie zunehmend beim Lesen an.

  • selektives oder überfliegendes Lesen
  • erfassen zentraler Textaussagen und zusammenfassende Wiedergabe (z.B. Stichwort, Zettel, Skizze, markieren)
  • Belegen von Aussagen mit Textstellen
  • Nachfragen bei Verständnisschwierigkeiten (z.B. Wörter nachschlagen, Text zerlegen)
  • Eigene Gedanken oder Schlussfolgerungen zu Texten formulieren, Austausch mit anderen darüber
  • zu Gedanken, Handlungen und Personen in Texten Stellung nehmen
  • Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Texten herausarbeiten
  • Texte umsetzen (illustrieren, collagieren)

6.4.3.6 Lesemethoden

Methoden vor dem Lesen

Dieser Bereich ist besonders bedeutsam für sprachbehinderte Kinder mit Störungen auf der lexikalisch-semantischen Ebene, weil Vorwissen aktiviert werden kann und Begriffe erklärt werden können.

  • Im Gespräch Basiswissen zum Thema des Textes erfragen
  • Brainstorming: Vorhandene Assoziationen zu einem Thema werden gesammelt und an der Tafel geordnet
  • Blitzlicht: Einen Satz als zentrales Statement zu einem bevorstehenden Thema äußern

Methoden während des Lesens

  • Antizipierendes Lesen: an einer Textstelle Vermutung über den Fortgang der Handlung anstellen
  • kreatives Lesen (Handlung fortsetzen oder verändern, eigenen Schluss finden)
  • Suchaufgaben im Text (Wörter, Sätze, Textstellen finden)
  • Lesetempo steigern

Methoden nach dem Lesen

  • Schlüsselbegriffe suchen und Wortfelder zum Thema aufbauen
  • Gestaltendes Lesen: nach Analyse der sinntragenden Textstellen entsprechende Betonung und Einlegen von Pausen
  • szenische Umsetzung eines Textes
  • bildnerische Umsetzung eines Textes
  • Erweitern oder Umschreiben der Textvorlage
  • Vergleich mit dem eigenen Erfahrungsbereich
  • Vergleich von Textsorten
  • bei Sachtexten Pro- und Contra-Positionen analysieren
  • Textteile in die richtige Reihenfolge bringen
  • Nachbereitungen mit Grafiken oder Mindmaps
  • Texte gliedern und zusammenfassen
  • Lesetagebuch führen

6.4.3.7 Lesekultur

Positives Leseklima schaffen durch vorbereitete Leseumgebung (Bücherregal, Schülerbücherei mit Ausleihe, Leseecken)

  • Geeignetes Lesematerial aussuchen
  • Emotional positive Lesesituationen schaffen
  • Zum Lesen motivieren
  • Vorlesen
  • Lesevorbild sein
  • Gespräche über Gelesenes und Vorgelesenes anregen
  • Lesenacht
  • Lesepaten
  • Würdigung besonderer Leseleistungen bei Antolin oder beim Vorlesewettbewerb
  • Begrüßung der Schulneulinge mit Pixibüchern

6.4.3.8 Diagnose

Da unsere Schüler aufgrund der o.g. sprachlichen Beeinträchtigungen das Lesen unter erschwerten Bedingungen erlernen, ist die individuelle Diagnose von Leseproblemen wichtig. Hierzu wird der Leselernprozess bei jedem Kind systematisch beobachtet, Leselernfortschritte dokumentiert, im Förderplan erfasst sowie die daraus folgenden Fördermaßnahmen festgelegt und durchgeführt. Zur Erfassung der individuellen Lesekompetenz eignet sich das stille Lesen eines Textes. Es bieten sich alle produktionsorientierten Verfahren an, zum Beispiel Fragen zum Text, Bilder zum Text, Ordnen des Textes, Gliedern des Textes oder eine Überschrift finden. Auch die selbstständige Umsetzung von schriftlichen Arbeitsaufträgen zeigt, ob der Schüler den Textinhalt adäquat erfasst hat.

Zusätzlich können als Diagnosematerial der Stolperwörtertest, die Hamburger Leseprobe oder die Lernstanderhebungen des „Bausteine-Lehrwerks“ eingesetzt werden.

Folgende Leselernprobleme treten bei sprachauffälligen Schülern häufig auf:

  • Verwechslungen, Ersetzungen oder Auslassungen ähnlich aussehender Buchstaben,
  • Probleme bei der Synthese,
  • ungenaues Lesen (zum Beispiel Auslassen von Buchstaben oder Silben, häufig von Endmorphemen),
  • ratendes Lesen durch mangelnde oder falsche Antizipation der Bedeutung,
  • Überlesen eigener Lesefehler aufgrund mangelnder Sinnentnahme und Sinnerwartung,
  • fehlerhafte Sinnentnahme aufgrund von Verständnisproblemen auf der Wort- oder Satzebene,
  • fragmenthafte Speicherung des Textinhaltes aufgrund des eingeschränkten auditiven Gedächtnisses,
  • zu langsames Lesetempo schränkt die Sinnentnahme ein
  • metasprachliche Ebene ist aufgrund der nicht altersgemäßen sprachlichen Kompetenz stark beeinträchtigt (Textanalyse, Textbearbeitung, Textdeutung).

6.4.3.9 Elternberatung

Aufgrund der häufig auftretenden Probleme unserer Schüler im Leselernprozess ist die Einbeziehung der Eltern in diesem Bereich enorm wichtig. Folgende Möglichkeiten bieten sich an:

  • Allgemeine Informationen zum Schriftspracherwerb,
  • spezielle Informationen zum Lesekonzept nach Sommer-Stumpenhorst,
  • Einbeziehung der Eltern zur Festigung des Wortschatzes der Hörkiste,
  • Eltern werden angeregt, ihren Kindern regelmäßig vorzulesen,
  • Beratung zur Auswahl geeigneter Lektüre für das eigene Kind,
  • Eltern hinsichtlich der besonderen Bedingungen beraten unter denen ihr sprachbehindertes Kind das Lesen erlernt,
  • Eltern werden über die Möglichkeiten der Auswahl geeigneter Bücher in der Schülerbücherei oder der öffentlichen Bücherei informiert,
  • Eltern werden angeregt, mit ihren Kindern geeignete Hörbücher zur Förderung des Textverständnisses zu hören,
  • Eltern erhalten ein Infoblatt zur Leseförderung (vgl. Anlage).

6.4.3.10 Ausblick

  • Erweiterung des Angebotes der Schülerbücherei auch unter Mitwirkung der Kinder
  • Anschaffung und Ausleihe von Hörbüchern
  • Einbeziehung der OGS in die Leseförderung, z.B. Leseeltern und Paten im Nachmittagsbereich einsetzen
  • Büchertauschbörse einrichten
  • Präsentation von Büchersteckbriefen in der Bücherei
  • Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei (z.B. Rallye)

6.4.3.11 Leseförderung – Tipps für Eltern

  • Lesen Sie Ihrem Kind regelmäßig vor. Ein gemütlicher und kuscheliger Platz vergrößert den Spaß.
  • Bücher gehören ins Kinderzimmer. Sie sollten immer griffbereit sein.
  • Nehmen Sie sich Zeit für das Vorlesen. Gespräche über das Gelesene gehören dazu.
  • Nutzen Sie alle Alltagssituationen, in denen Lesen sinnvoll und wichtig ist: Verkehrszeichen oder Straßennamen lesen, Einkaufszettel lesen und schreiben, Nachrichten hinterlassen, usw.
  • Schreiben Sie Notizen oder kleine Briefe an Ihr Kind.
  • Zeigen Sie Interesse, wenn Ihr Kind etwas vorliest und sprechen Sie darüber.
  • Lesen Sie Ihrem Kind auch weiter vor, wenn Ihr Kind schon selber lesen kann, diese Gewohnheit aber gerne hat; möglich ist auch ein abwechselndes Lesen von Elternteil und Kind.
  • Holen Sie sich Tipps vom Klassenlehrer:

1. Welcher Schwierigkeitsgrad ist für mein Kind angemessen?
2. Liest mein Kind „richtig“?
3. Welche Bücher sind geeignet?

  • Ihr Kind interessiert sich gar nicht für Bücher? Dann probieren Sie es mit Hörbüchern, die es auf CD gibt. Gemeinsam Bücher hören macht auch Spaß.
  • Besuchen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Büchereien und Buchhandlungen in Ihrer Nähe. Lassen Sie Ihr Kind regelmäßig mit dem eigenen Ausweis ausleihen.
  • Zwingen Sie Ihr Kind nicht zum Lesen! Sie sind das Beispiel! Lesen Sie selbst oder planen hin und wieder eine Bei Tee oder Keksen liest jeder, was er mag, egal ob Bücher, Comics, Sachbücher oder Zeitungen.
  • Beschränken Sie die Fernsehzeit und die Spielzeit am Computer! Wählen Sie Fernsehsendungen gemeinsam aus. Zeigen Sie Interesse an PC-Spielen und sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber.
  • Schenken Sie Ihrem Kind hin und wieder Bücher, Comics oder Zeitschriften. Fragen Sie in der Schule oder in der Buchhandlung nach guten und kindgemäßen Zeitschriften, die der jeweiligen Altersstufe entsprechen.